Doch hat Vater Staat überall das Kommando übernommen. Seine aktuell medial inflationär und sehr sendungsbewusst auftretenden Protagonisten sehen sich - nicht zuletzt im Hahnenkampf um das politische Erbe von Angela Merkel - als die obersten Verteidiger der öffentlichen Moral.
Zu Risiken und Nebenwirkungen des „guten“ Staats fragen Sie Ihre Marktwirtschaft
Natürlich muss der Staat in der Not da sein. Unternehmen und ihre Beschäftigten sind nicht wegen Missmanagement oder Unfähigkeit in die Krise geraten. Auch ist es volkswirtschaftlich viel billiger, sie zeitweise unter staatliche Fittiche zu nehmen als Pleitewellen, Massenarbeitslosigkeit, wenn nicht sogar soziale Unruhen zu riskieren.
Doch trotz der vielen politischen Versprechen sollte sich beim deutschen Michel keine Staatsgläubigkeit breitmachen. Wir sollten uns bloß nicht daran gewöhnen, unsere Lebensrisiken wie einen Mantel an der Garderobe einfach so an den Staat abzugeben. Da die Wirtschaftsleistung einem Vielfachen der öffentlichen Haushalte entspricht, sind die staatlichen Möglichkeiten naturgemäß begrenzt.
Ohnehin sollte sich der Staat nicht ungehindert ausbreiten wie Efeu an der Hauswand. Er ist ein Bremser des industriellen und technologischen Fortschritts, weil Politiker mit Blick auf ihre Wiederwahl gerne am Alten festhalten. So manches Kohle- und Stahl-Bundesland hat damit längerfristig allerdings nur hohe Arbeitslosigkeit und Sozialkosten verursacht.
Überhaupt, „Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld?“ heißt es schon in einem fröhlich rheinischen Karnevalsschlager. Papa Staat hat es nicht vom Geben, sondern vom Nehmen. Nach Corona werden Rechnungen gestellt. Das ist weniger heiter. Die ersten „wirtschaftlichen Weisen“ schreien bereits mit viel staatswirtschaftlicher Ideologie nach Steuererhöhungen und Vermögensabgaben. Man müsste aber Honig im Kopf haben, wenn man eine an Fahrt gewinnende Wirtschaft abbremsen würde. Wir brauchen dann vollen Schub, keine neuen Bremsscheiben. Deutschland ist bei Unternehmens- und Einkommensteuern sowie Stromsteuern international doch schon spitze. Und es gibt kein Gesetz, dass man in Deutschland investieren muss.
Daher sollten wir zunächst in den sauren Apfel beißen und eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen, die Ende 2020 mit 80 Prozent zur Wirtschaftsleistung im Vergleich zu anderen Industrieländern immer noch hervorragend ist. Immerhin verdient Deutschland mit neuen Staatsschulden Geld, weil es weniger zurückzahlt als es aufgenommen hat. Danach aber muss diese über möglichst hohes Wachstum wieder zurückgeführt werden.
Staat soll kein betreutes Leben anbieten, sondern Marktwirtschaft leben lassen
Dazu muss die deutsche Politik allerdings zügig die nötigen Voraussetzungen schaffen. Die erzwungene und durchaus erfolgreiche Homeoffice-Kultur ist ein klarer Auftrag, endlich eine moderne Infrastruktur aufzubauen, die den deutschen Standort so wettbewerbsfähig macht, dass Unternehmen sagen: Wir bleiben nicht nur wegen Corona zeitweise zuhause, sondern auch langfristig in Deutschland.
In diesem Zusammenhang muss so manche wirtschaftspolitische Flause aus den Köpfen raus. Statt einer De-Industrialisierung Deutschlands muss eine pragmatische Industriekultur her. Es geht nicht darum, in den grünen Himmel zu kommen, sondern u.a. mit großartiger deutscher Umwelttechnik schon auf Erden Geld zu verdienen, natürlich auch zum Wohle der Arbeitnehmer. Apropos, nur durch „Vorsprung durch Technik“ - um eine alte Auto-Werbung zu bemühen - ist Deutschland nach dem Krieg „Auferstanden aus Ruinen“ und kann auch nur so zukünftig in einer globalen Welt mit guten Jobs überleben. Es ist zu hoffen, dass die Corona-Krise den Realitätssinn, den gesunden Menschenverstand wiederbelebt und ideologische Stilblüten dem karfreitäglichen Schicksal zuführt.
Die staatlich betriebene Infektionseindämmung birgt übrigens auch Gesundheitsrisiken. Es häufen sich Schlaganfälle, Herzinfarkte, psychische Erkrankungen und häusliche Gewalt, die wegen sozialer Isolation sowie Zukunfts- und Existenzangst auftreten. Ebenso leiden viele (Schul-)Kinder unter Alpträumen und Wutausbrüchen. Ich will nicht wissen, was in vielen Haushalten abgeht.
Vor diesem Hintergrund muss die Wiedereröffnung des Wirtschaftslebens unbedingt eine Einbahnstraße sein, auf der man kontinuierlich nach vorne fährt und jede Möglichkeit der Beschleunigung nutzt. Es darf keinen Stillstand geben, schon gar keine Umkehr. Zur psychologischen Aufhellung brauchen Menschen eine Vision, ein Ziel. Es ist wie bei einer Bergwanderung. Man freut sich nach den körperlichen Strapazen auf dem Gipfel anzukommen, denn da wartet die Wurstplatte, vielleicht auch die Tofu-Bällchen.
Es gibt durchaus Bereiche, in denen ein starker Staat gebraucht wird
Unbedingt soll der Staat die Einführung von Euro- bzw. Corona-Bonds verhindern, egal in welcher Geschmacksrichtung sie gefordert werden. Ist es denn fair, wenn Länder mit früherem Renteneintrittsalter, höherem Privatvermögen und mehr Wohneigentum als in Deutschland in den Genuss der Vergemeinschaftung von Schulden kommen, für die die Haftungsländer mit höheren eigenen Zinsen und der Gefahr eines Verlustes ihres Top-Bonitätsratings „entlohnt“ werden? Nein! Und auch die angebliche Stigmatisierung, wenn nicht Demütigung Italiens, die Rom bei Nutzung des Rettungsschirms ESM unterstellt, darf kein Argument für Corona-Bonds sein. Denn im Vergleich zur griechischen Schuldenlösung damals gibt es für Rom heute nur die Bedingung, das Geld für den Gesundheitssektor zu verwenden. Das ist mehr als zumutbar.
Den Euro-Schuldenländern wie Italien geht es vor allem darum, mit dem Corona- bzw. Solidaritätsargument auch noch die letzte Stabilitätstür aufzuhebeln. Obelix aus der französischen Comicserie Asterix würde an dieser Stelle sagen: „Die spinnen, die Römer!" Europäische Solidarität soll gerne weiter über die EZB erfolgen, ohne deren Hilfe - sprechen wir die Wahrheit offen aus - so manches Land längst zahlungsunfähig wäre. Die geldpolitischen Stabilitätssünden sind gravierend genug. Mit einem Schulden-Sozialismus sollten wir aus der Eurozone jetzt kein Stabilitäts-Sündenbabel machen. Bei mir werden Corona-Bonds nie die Sympathiewerte von James Bond erreichen.
Starkes staatliches Auftreten, sehr gerne im Verbund aller europäischen Länder, ist auch in Gesprächen mit Peking wünschenswert. Die Corona-Epidemie nahm in China ihren Anfang. Dort hat man sie zunächst verheimlicht, dann beschönigt und damit Europa viel Zeit für gesundheitliche Gegenmaßnahmen genommen. Ich glaube nicht an die Labor-Geschichte, aber dennoch ist großer wirtschaftlicher Schaden entstanden. Sicher wird China Europa niemals die Neuverschuldung erstatten (können). Doch sollte die EU in Peking deutlich auf chinesische Marktöffnung und faire Handelsbedingungen drängen. Mit einer Re-Europäisierung von Lieferketten könnte durchaus Druck ausgeübt werden, zumal die zunehmende Digitalisierung den Lohnkostenvorteil der Asiaten reduziert. Hierbei wäre es wünschenswert, wenn die ganze westliche Welt zusammenhielte, um mehr Überzeugungskraft zu haben. Leider jedoch ist schon der Corpsgeist des US-Präsidenten un-willig, nicht nur sein Fleisch schwach.
Das Virus darf nicht als nützlicher Erfüllungsgehilfe für Big Government als neue Normalität dienen. Nach der Krise müssen wir schnell zurück zur alten Normalität der sozialen Marktwirtschaft.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725
Kommentare
Gab es vor 30 Jahren auch schon solche Seuchen, wie SARS, Schweinpest und Corona in China? Ich glaube nicht, dass die damaligen Verhältnisse anders oder besser waren als in den letzten Jahrzehnten.
Oder sind diese Epidemien erst in der letzten Jahren mit der wachsenden wirtschaftlichen Stärken von China aufgetreten? Z.B.: In Indien (mit den vielen Slums) ist mir in den letzten Jahrzehnten eine solche Abfolge von Seuchen nicht aufgefallen. Haben Sie dazu Informationen? Wäre sicher interessant.
Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie
https://www.bundestag.de/resource/blob/691376/2feb28d7057bf918bd18254ab06d95ad/WD-4-041-20-pdf-data.pdf
der Staat kann es nicht besser! OK!
Aber "Nach der Krise müssen wir schnell zurück zur alten Normalität der sozialen Marktwirtschaft." hat es in den letzten 30 Jahren eine SOZIALE Marktwirtschaft gegeben? Wir werden über kurz oder lang von weltumspannenden "Privat-Diktatoren" ausgeplündert werden. Ein starker Staat, der Steuergelder raushaut empfinde ich hier als das kleinere Übel.
"3.
...Einigkeit besteht ferner dahingehend, dass die Vermögensabgabe einen besonderen, außerordentlichen Finanzbedarf des Staates voraussetzt. Wann vom Vorliegen dieser Voraussetzung ausgegangen werden kann, wird hingegen nicht einheitlich bewertet."
Wenn die letzten Billionen an Rettungspaketen und Hilfen keinen "besonderen, außerordentlichen Finanzbedarf des Staates voraussetzt", dann weiss ich auch nicht, was denn "besonders, außerordentlich" sein soll ...
Pro-Tipp: Ich habe schon mal vorrausschauend meine Kontostände ein wenig dezimiert und die Kohle verprasst. Den Rest werde ich für Nutten und Drogen ausgeben (wie von einem Deutschen Fussballer empfohlen)
Wir hatten noch nie eine soziale Marktwirtschaft, sondern eine Marktwirtschaft mit Kapitalismus. Eine soziale Marktwirtschaft ist gekennzeichnet:
- ohne Zins und Zinseszins
- konstruktive Geldumlaufsicherung, (Verstetigung des Geldumlaufs) sog. "Schwundgeld" - siehe das "Wunder von Wörgl"
- Bodenreform, die verhindert, dass Kapitalien das Schlupfloch Bodenspekulation nutzen können
Literatur: Das Geldsyndrom 2012 - Wege zu einer krisenfreien Wirtschaftsordnung von Helmut Creutz
Ja, Nutten sollen derzeit recht preiswert sein :-))
Und zum Artikel: Der "starke Staat" hat bereits 2009 die Chance verpasst die Kontrolle über die Finanzmärkte zurück zu erlangen - oder es nie gewollt, was sicher wahrscheinlicher ist.
https://oldpetrus.wordpress.com/2020/04/15/mit-volldampf-in-den-crash/
Derzeit scheuen sich ja alle Politiker - abgesehen von Herrn Lauterbach - dem Volk zu verkünden, dass sie die Einschränkungen gerne noch ein oder zwei Jahre beibehalten möchten.
Und wer bezahlt das alles?
Ja wer außer dem Steuerzahler bleibt denn übrig? Traut sich tatsächlich irgendein Politiker das Großkapital zur Kasse zu bitten?
"Vermögensabgabe" - das ist doch eine Utopie, auch wenn die Eliten nun nicht so einfach in ein anderes Land flüchten können.